Im Juli war das Thema in meiner Journalingcommunity „Herzfunkenimpulse“ Verbindung und Gemeinschaft. Eine Form der Verbindung, die oft übersehen wird, ist die zu uns selbst – besonders dann, wenn wir im Kampf mit unserem inneren Kritiker stehen. Der folgende Text lädt dich ein, genau hier anzusetzen: dich deinem Kritiker zuzuwenden, ihn besser zu verstehen – und auf diese Weise mehr innere Klarheit, Versöhnung und Selbstvertrauen zu entwickeln.
„Wie konntest du nur so etwas tun?“, „Hättest du im Seminar bloß eine andere Reihenfolge gewählt.“ „Wie kann man nur so einen Blödsinn schreiben?“ – Diese kritischen Stimmen kennst du bestimmt. Sie schüren Selbstzweifel und negative Gedanken und können dich ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen. Dein innerer Kritiker ist oft kein angenehmer Begleiter – besonders dann nicht, wenn er dich durch ständige Zweifel lähmt und dir den Mut nimmt.
Die Folgen solcher Gedankenspiralen sind nicht zu unterschätzen: Du blockierst dich selbst, wirst unsicher, unzufrieden und vermeidest neue Herausforderungen. Im schlimmsten Fall kann das in einen Burn-out münden.
Dass der innere Kritiker so viel Macht bekommt, liegt oft daran, dass du nicht gelernt hast, wie du mit ihm umgehen kannst. Entweder ignorierst du ihn, versuchst, negative Gedanken zu unterdrücken – oder du akzeptierst diese Gedanken unreflektiert, als wären sie ein natürlicher Teil von dir. Oder du nimmst sie ungefiltert als Antrieb, noch besser und perfekter zu werden – bis du dich damit völlig überforderst und dann alles hinwirfst.
Schließe Frieden mit deinem inneren Kritiker
Klar – dein innerer Kritiker kann gnadenlos sein. Aber er hat auch positive Seiten. Er kann dich mit wertvollen Hinweisen und Ideen versorgen, dir mögliche Probleme aufzeigen und dich dadurch sogar kreativ voranbringen.
Der erste Schritt zu einem gesünderen Umgang mit ihm ist: Lerne, seine Stimme frühzeitig zu erkennen und zu hinterfragen. Sobald du ihn bewusster wahrnimmst, bist du ihm nicht mehr hilflos ausgeliefert. Du kannst reflektieren – und die Kritik sogar für dich nutzen.
Schreibübung 1: Deinen Kritiker erkennen
Finde heraus, in welchen Situationen dein innerer Kritiker besonders laut wird. Beantworte dazu folgende Fragen spontan und ohne Wertung schreibend:
- In welchen Momenten spürst du Selbstzweifel und negative Gedanken?
- Wie äußern sich diese Gedanken?
- Woran erkennst du deinen inneren Kritiker?
- Wie fühlst du dich dabei?
- Wie reagierst du auf ihn?
Diese Übung hilft dir, den Kritiker künftig schneller zu enttarnen. Und wenn du ihn erst einmal erkannt hast, kannst du mit gezielten Übungen gegensteuern. Stell dich deinen Selbstzweifeln – und gib ihnen keine Macht mehr über dich.
Erste-Hilfe-Maßnahme 1: Gedankenstopp
Eine einfache, aber wirksame Sofortmaßnahme: der Gedankenstopp.
Sobald dein Kritiker sich meldet, sage innerlich (oder laut) „Stopp!“ oder „Nein!“. Unterbrich seinen Redefluss und atme tief durch. Dann ersetze seine Kritik bewusst durch eine positive Aussage über dich oder dein Tun.
Beispiel 1:
Du schreibst gerade an einer Abschiedsszene für deinen Roman. Plötzlich hörst du:
Innerer Kritiker: „Das ist total kitschig. Peinlich, wenn das jemand liest!“
Du: „Stopp! Ich finde die Szene gelungen.“
Beispiel 2:
Du stehst in der Umkleidekabine und dir fallen deine angeblich dicken Oberarme auf.
Innerer Kritiker: „Meine Güte, die Arme sehen ja aus. T-Shirts gehen gar nicht mehr!“
Du: „Stopp! Meine Arme sehen völlig normal aus. Warum sollte ich kein T-Shirt tragen.“
Erste-Hilfe-Maßnahme 2: Entschärfe deinen Kritiker
Wenn dich wieder Selbstzweifel plagen, frage dich schriftlich:
„Ist das wirklich wahr?“
Nimm dir fünf Minuten für ein Freewriting, in dem du dieser Frage ehrlich auf den Grund gehst. Oft zeigt sich dabei: Die Kritik ist nicht objektiv – sondern überzogen oder irrational.
Erste-Hilfe-Maßnahme 3: Dialog mit deinem inneren Kritiker
Die ersten beiden Methoden helfen dir im akuten Fall. Doch du kannst noch einen Schritt weitergehen: Führe regelmäßig einen inneren Dialog mit deinem Kritiker. So lernst du seine Motive kennen und kannst langfristig besser mit ihm umgehen.
Ich habe durch diese Methode herausgefunden, dass mein Kritiker mich eigentlich nur vor Ablehnung schützen will – z. B. durch kritische Reaktionen aus meinem Umfeld. Mit diesem Wissen konnte ich ihn besser verstehen und ihn bitten, mich konstruktiv zu unterstützen.
So startest du den Dialog:
Stell dir deinen inneren Kritiker vor, als wärst du in einem Gespräch mit ihm. Stelle Fragen – und lass ihn antworten. Lass den Dialog fließen, ohne zu zensieren.
Zwei Möglichkeiten:
- (a) Du reagierst, wenn er sich wieder meldet und kritisiert.
- (b) Du ergreifst selbst die Initiative und suchst bewusst das Gespräch.
Wichtig: Bleib versöhnlich. Dein Ziel ist nicht, ihn loszuwerden, sondern ihn als Teil von dir zu integrieren. Nimm seine Sorgen ernst – aber lass dich nicht mehr von ihnen lähmen.
Beispiel (Dialog):
Innerer Kritiker: „Das ist kitschiger Unsinn. Peinlich sowas.“
Du: Stopp! Vielleicht findest du es zu romantisch. Aber ein anderer Leser könnte es berührend finden. Es ist doch nur die erste Version – lass mich einfach schreiben.
Innerer Kritiker: Schreib ruhig weiter. Aber ehrlich: Du verschwendest nur deine Zeit.
Du: Warum bist du so griesgrämig?
Oder du beginnst direkt mit einer Frage:
- „Warum kritisierst du mich ständig?“
- „Was willst du mir eigentlich sagen?“
- „Was soll ich aus deiner Kritik lernen?“
Versuche deinem Kritiker zu erklären, dass seine Perfektion dich blockiert. Sag ihm z. B., dass du ihn beim Rohtext nicht brauchst, sondern erst beim Überarbeiten. Oder bitte ihn, dich in Zukunft wertschätzender zu unterstützen.
Wichtig:
- Schreibe alles auf, was dir durch den Kopf geht – ohne Zensur.
- Ja, es wirkt vielleicht merkwürdig – doch es funktioniert.
- Lies den Dialog später noch einmal durch und lege ihn dann beiseite. Dein Unterbewusstsein wird weiter daran arbeiten.
Wenn du tiefer einsteigen willst: Wandle besonders harte Aussagen deines Kritikers in positive Glaubenssätze um.
Beispiel:
Kritik: „Du kannst nicht schreiben. Lass es lieber bleiben.“
Neuer Glaubenssatz: „Ich darf Fehler machen – und daraus lernen.“
Schreib dir solche Sätze auf eine Karte oder ein Post-it – und lies sie täglich. So baust du dir nach und nach eine freundlichere innere Stimme auf.
Schreibübung 2: Führe einen Dialog mit deinem inneren Kritiker
Reine Schreibzeit: ca. 10–20 Minuten
Du weißt jetzt, in welchen Situationen dein Kritiker besonders laut wird. Jetzt geh einen Schritt weiter: Beginne einen schriftlichen Dialog mit ihm.
Stell ihm eine Frage – entweder konkret („Warum sagst du immer, dass ich nicht schreiben kann?“) oder offen („Was willst du mir mitteilen?“).
Lass dich auf das Experiment ein. Vielleicht fühlst du dich anfangs unwohl – das ist normal. Bleib offen – und schreib einfach los.
Und zum Schluss: Bedanke dich bei deinem Kritiker – für seinen Einsatz und seine Bereitschaft, mit dir zu sprechen.
Dir hat der Artikel gefallen? Schau mal im Archiv meiner Kreativen Schreibimpulse vorbei. Hier gibt es noch einige Artikel, die dich unterstützen. Das regelmäßige freie Schreiben ist allerdings ein weiteres großartiges Tool, um resilienter zu werden. Teste 7 Tage meine Schreibimpulse und schreibe ohne Leistungsdruck und Perfektionsanspruch.